Angst, Trauma, Schock

Angst, Trauma, Schock, chronischer Stress – Polyvagaltheorie

Mehr als die Hälfte der Menschen leidet an chronischen Erkrankungen wie Autoimmunerkrankungen oder Bluthochdruck. Angstzustände, Posttraumatische Belastungsstörungen und Sucht nehmen rapide zu.

Warum?

Die Ursachen finden sich im Trauma, belastende Kindheitserlebnisse oder chronischer Stress. Letztendlich ist dies auf eine Dysregulation unseres Nervensystems zurückzuführen.

Autonomes Nervensystem = ANS

Das ANS funktioniert automatisch und kümmert sich um viele automatische Funktionen wie Herzschlag, Verdauung und Körpertemperatur. Es organisiert unsere Überlebens- und Stressreaktionen. Bei Gefahr sorgt es dafür, dass am Leben bleiben. Es scannt dauerhaft unsere Umgebung auf Sicherheits- und Gefahrenhinweise.

Dabei gibt es drei verschiedene Zustände:

  • Ausgeglichen: Wir fühlen uns ruhig, entspannt, sicher und mit unseren Mitmenschen verbunden.
  • Aktivierung: Das ANS hat beim Scannen der Umgebung in einiger Entfernung eine Gefahr z.B. einen Säbelzahntiger. Vor Tausenden von Jahren mussten wir ständig auf der Hut sein und gegebenenfalls fliehen. Das ANS gibt den Befehl alles zu aktivieren. Die Herzfrequenz und Atmung steigen an. Dabei werden Adrenalin und Cortisol freigesetzt. Das Blut fließt in die Muskeln, damit wir wegrennen können. Dies ist unsere Kampf- oder Fluchtreaktion (siehe Säbelzahntiger).
  • Erstarrung: Das ANS stellt fest, dass die Gefahr zu groß zum Wegrennen oder Kämpfen ist (der Säbelzahntiger steht direkt vor uns). Alle Reaktionen werden eingefroren, das ist der sogenannte „shut down“. Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur sinken dann. Der Körper schüttet schmerzstillende Endorphine aus.

Das Autonome Nervensystem macht all das automatisch, so als würde am Computer ein Knopf gedrückt werden. Es ist nicht nur da, um uns vor Gefahren zu schützen. Es steuert uns auch durch unser tägliches Leben. Wenn es gut funktioniert, verläuft alles in einem Fluss. Dann können wir in dem einen Moment aktiviert sein und im nächsten Moment ganz entspannt. Wenn wir spielen oder in Kontakt mit Freunden sind, kann dies auch fließend sein. Es hilft uns resilienter bei Stress und negativen Ereignissen zu reagieren. Wenn wir mal „gefallen“ sind, können wir uns aufrappeln und weitermachen.

Haben wir Trauma oder chronischen Stress erlebt, kann das Autonome Nervensystem aus dem Gleichgewicht geraten. Wir bleiben dann sozusagen im „Überlebensmodus“ stecken.

Dann kann ein Treffen mit Freunden, eine Teamsitzung oder eine Party beängstigend sein.

Die Ursache liegt daran, dass das ANS fehlerhaft funktioniert. Es wertet alles Mögliche als Gefahr und die körperlichen Reaktionen sind auch entsprechend. Das ANS signalisiert dauerhafte Gefahr, dadurch kann es eine ständige Cortisol-Ausschüttung geben und zwar auch dann, wenn wir eigentlich in Sicherheit sind. So ein dauerhafter Zustand kann sehr anstrengend sein und schwächend wirken. Es kann auch lähmend sein. Es ist widersprüchlich, denn ein Teil weiß, dass es nicht gefährlich ist. Aber da das ANS automatisch das Programm abspult, kann diese ständige Anspannung auch Ängste auslösen. Betroffene versuchen sich durch Drogen, Alkohol, Lebensmittel, Arbeit oder Sex Erleichterung zu verschaffen. Das ist jedoch nur kurzfristig und ändert nicht die Ursache.

Wie wirkt sich Trauma auf uns aus?

Erfahrungen können traumatisierende Wirkungen haben. Dabei kann das Ereignis ganz individuell als Trauma erlebt werden. Schocktrauma:

  • Unfall
  • Naturkatastrophen
  • Angriffe

Entwicklungs- oder Bindungstrauma:

  • Misshandlungen (körperlich oder psychisch) besonders während des Heranwachsens
  • Anschreien
  • Fehlendes Sicherheitsgefühl

Andere Ursachen:

  • Chronischer Stress
  • Operationen bzw. medizinische Eingriffe während der Kindheit oder Aufenthalte in Krankenhäusern (früher war der Besuch nicht erlaubt, Eltern durften nur durch die Scheibe sehen)
  • Armut, Diskriminierung
  • Gewalt
  • Übergriffe, auch sexueller Art
  • Tod eines geliebten Menschen oder Haustieres, vor allem plötzlich

Die Epigenetik zeigt, dass Traumata über mindestens drei Generationen vererbt werden können. So kann es sein, dass man selbst keine Traumata erlebt hat, sich aber genauso verhält.

Trauma gilt eine Erfahrung und nicht als Ereignis. Die Reaktion in uns ist das Ergebnis von dem, was passiert ist mit uns.

Eine amerikanische Studie (Kaiser/CDC) mit 17000 Patienten belegt, dass Teilnehmer die vier oder mehr derartige Erfahrungen gemacht haben ein erhöhtes Risiko für Krebs, Herzkrankheiten, Drogenmissbrauch und andere Probleme haben.

Damit lassen sich die Zusammenhänge zwischen Erkrankungen und der Psyche auch erklären. Wie oft können wir uns gar nicht daran erinnern, was einmal geschehen ist. Es ist häufig tief im Unterbewusstsein vergraben. Statt das unser System dafür sorgt, dass wir glücklich und gesund sind, schaltet das ANS auf den Überlebensmodus. Die Gedanken kreisen dann auch häufig.

Viele chronische, schwer zu diagnostizierende und zu behandelnde Zustände und Symptome lassen sich so erklären:

Körperliche Symptome z.B. Verdauungsbeschwerden, Autoimmunerkrankungen, chronische Müdigkeit oder chronischer Schmerz, Migräne

Psychische Symptome z.B. Depressionen, Angst, Posttraumatische Belastungsstörung, Sucht oder herausfordernde Beziehungen.

Die frühen Kindheitserfahrungen können uns auch an Bildung von Beziehungen hindern. Wir können ein Problem mit der Nähe haben, die dann unerträglich ist oder mit der Distanz (der Partner darf sich nicht länger entfernen ohne das Ängste entstehen).

Wenn die Beziehung zu unseren Bezugspersonen in früher Kindheit unsicher war können sich bestimmte neuronale Vernetzungen nicht bilden. Der Teil, der entscheidet, was sicher oder unsicher ist, entwickelt sich nicht richtig. So können wir dies nicht richtig entscheiden, es besteht immer eine Unsicherheit. Wenn es in der Kindheit unsicher war eine Bindung zu nahen Bezugspersonen einzugehen, dann können wir dies auch häufig nicht als Erwachsene. Wir haben es schwer Freundschaften zu schließen oder eine Partnerschaft einzugehen. Die unsichere Vergangenheit kann vom Nervensystem nicht von der sicheren Gegenwart unterschieden werden.

Ist eine Erholung von Traumata möglich?

Die Antwort lautet zum Glück „ja“. Wir können unser System neu kalibrieren, damit wir uns wieder sicher fühlen.

Wie?

Wenn wir uns mit Menschen umgeben, deren Autonomes Nervensystem normal funktioniert, können wir dies sozusagen übernehmen. Wir spiegeln diese Zustände (Spiegelneuronen).

Umgibt man sich mit Menschen, die Sicherheit, Präsenz und Ausgeglichenheit ausstrahlen, so fühlt man sich schon nach kurzer Zeit viel besser. Es gibt ein wachsendes innovatives Angebot klinischer Therapien.

Tun wir Dinge, die uns intuitiv guttun, wie beispielsweise im Wald spazieren gehen, Yoga, Tanzen, Singen oder auch anderen Helfen (Menschen oder Tiere) kann sich unser Nervensystem wieder erholen.

Der Überlebensmodus kann hinter uns gelassen werden, je mehr wir eine Regulierung erleben und unsere Resilienz Fähigkeit erhöhen.

Es geht ja nicht darum, dauerhaft völlig relaxed und entspannt zu sein. Sondern vielmehr geht es darum, dass das Nervensystem zwischen Sicherheit und Gefahr unterscheiden kann und entsprechend reagiert.

Für Betroffene ist das Widerherstellen des Nervensystems wichtig, das ist vergleichbar mit einer „Wiedergeburt“. Denn dadurch wird soviel Lebensfreude erreicht, das ist unbezahlbar.

Sowohl für Betroffene als auch alle anderen ist es wichtig, zu verstehen, wie unser Nervensystem funktioniert und wie es wieder reguliert werden kann.

Wir werden gesünder, glücklicher und empathischer. Wir kommen wieder ins „Fühlen“. Bei Betroffenen sind häufig auch die Emotionen wie eingefroren. Freude oder Angst ist im Gesicht nicht erkennbar. Sie sind immer gleich. Das macht ein Zusammenleben schwierig, denn das Gegenüber kann nicht erkennen, wie sich der andere fühlt.

Ist mein Nervensystem „eingefroren“?

Manchmal weiß man gar nicht, dass man traumatisiert ist. Das Gehirn kann diese Erfahrungen so gut verstecken, nur um Betroffene zu schützen, weil es sonst zu schlimm wäre. Erst wenn ein Rückschluss der Lebensumstände gelingen, kann man eins und eins zusammenzählen.

Es gibt entsprechende Fragebögen und Untersuchungen in der Klinik, die Antworten geben. Gleichzeitig gibt es natürlich auch ganz einfache Untersuchungen, um herauszufinden, ob das Nervensystem eingefroren ist.

Wichtig für Betroffene

Verstehen wie die Zusammenhänge sind. Sich mit positiven Menschen umgeben. Dinge tun, die einem guttun, da diese die Resilienz erhöhen. Sich Hilfe suchen.

Kostenfreies Erstgespräch

Sie möchten mich und meine Arbeitsweise kennenlernen?

Vereinbaren Sie hier ein kostenfreies telefonisches Erstgespräch von 15 Minuten.

Wir können in Ruhe über Ihr Anliegen sprechen.